Der Baum in der Wuste
Als Maria mit dem Kinde,
Nach Agypten auf der Flucht,
Von des Tages Wandrung mude,
in dem Schatten Ruhe sucht,
Da sie zu des heil’gen Kindleins
Labung bang nach Fruchten spat:
Schaut sie endlich in der Wuste
einen Baum, der einsam steht.
Seine Zweige schwer belastet
Sind mit Fruchten reich geschmuckt,
Was die liebevolle Mutter
Ob des Kindleins hoch entzuckt.
Wie sie sich dem Baume nahet,
Von den Fruchten pflucken will,
sieht sie, dass zu hoch sie hangen,
Und sie weint betrubet still.
Doch des Baumes schlanke Zweige
Neigen nun zur Erde sich,
Gleich als ob sie freundlich sprachen:
Heilige Maria, brich!
Brich die Fruchte, die wir bieten
Dir und dem geliebten Kind,
Dem wir, gleichwie des Erschaffnen
Alle, untertanig sind.
Und Maria brach die Fruchte
Und pries Gottes Allmacht laut,
Niederkniend voll der Demut,
Als das Wunder sie geschaut.
Franz von Pocci 1807 - 1876